Gremienkonferenz
Friedrich Merz zu Gast bei der IG Metall Olpe: Diskussion um Tarifbindung und Transformation

Sind Tarifverträge noch zeitgemäß? Für die IG Metall und die Betriebsräte von Unternehmen aus dem Kreis Olpe ist die Antwort klar: JA! Davon wollten die Gewerkschafter_innen jetzt auch Friedrich Merz überzeugen. Dieser war auf Einladung von André Arenz zu Gast in Attendorn.


Sind Tarifverträge noch zeitgemäß? Für die IG Metall und die Betriebsräte von Unternehmen aus dem Kreis Olpe ist die Antwort klar: JA! Denn sie entfalten nicht nur in Unternehmen Wirkung, für die sie abgeschlossen wurden. Auch in nicht tarifgebundenen Unternehmen wirkt sich ein neu abgeschlossener Flächentarifvertrag positiv aus - er liefert dem Betriebsrat Argumente für Haustarifverträge und sorgt für Druck auf ungebundene Arbeitgeber. Davon wollten die Gewerkschafter:innen jetzt auch Friedrich Merz überzeugen. Der CDU-Parteivorsitzende und Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war auf Einladung von André Arenz zu Gast auf einer Gremienkonferenz der IG Metall Olpe in Attendorn.

Die Aufgabe ist für den Olper IGM-Geschäftsführer André Arenz klar: „Unsere Aufgabe ist es als IG Metall, als Interessenvertreter der Arbeitnehmer dafür zu sorgen, dass die Bedingungen auch für die nächste Generation noch gut sind. Tarifverträge und Tarifverbindung haben dafür eine sehr wichtige Wirkung.“ Denn sie wirkten auch in Betriebe, die nicht tarifgebunden seien und hätten eine hohe Wirkung auf das Umfeld. „Sie sind in der Regel Benchmarks. Dann steigt der Druck. Der Tarifvertrag wirkt also über den eigentlichen Geltungsbereich hinaus.“

Auf Grund einer Diskussion zwischen Merz und Arenz im CDA Bundesvorstand zum Thema Tarifbindung hatte Arenz den Vorsitzenden der größten Oppositionspartei im Bundestag eingeladen, um ihm zu zeigen, wie die Arbeitnehmer:innen und Betriebsräte im Kreis Olpe ticken. „Denn sie wollen gemeinsam dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen im Kreis Olpe und darüber hinaus gut sind.“

Auch wenn die jungen Leute in der Konferenz aus ca. 85 Betriebsratsmitgliedern und Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretungen nicht in der Mehrheit waren, hatte Jugendsekretärin Klaudia Tichy deren Stimmen eingesammelt und mit großen Bannern unter dem Motto #GemeinsamStark sichtbar gemacht. Eine der Botschaften an Friedrich Merz: „Du bist jung und brauchst das Geld? Tarifverträge!“ Sie machte Merz deutlich, dass Gehaltsverhandlungen nicht nur Einzelsache, sondern gemeinsam regelbar seien.

„Deshalb ist das, ebenso wie Tarifverträge nicht nur was für ,alte Leute’ - sondern für uns alle. Denn nur gemeinsam sind wir stark. Dafür braucht es uns alle“, lautete eine weitere Botschaft. Das seien keine Einzelmeinungen, sondern Stimmen aus der Jungen IGM: „Das sind 200.000 junge Menschen, die sich für faire und solidarische Politik stark machen“, so Tichy.


Betriebsräte und Gewerkschaften als wichtige Akteure im Transformationsprozess

Eine andere Botschaft an den Gast aus Berlin: Die IG Metall und die Betriebsräte seien wichtige Akteure im Transformationsprozess, der Wirtschaft und Gesellschaft derzeit massiv beschäftige. „Wir setzen uns intensiv mit der Transformation auseinander. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein riesiges Thema auch gerade in unserer Region. Wir wollen das mitgestalten, wie sich die Industrie verändert, damit wir nicht nur bei Werkschließungen, sondern auch da mitsprechen, wenn neue Arbeitsplätze entstehen“, so André Arenz.

Zudem sei es in Zeiten eines Arbeitnehmermarktes wichtig, sich für vernünftige Arbeits- und Tarifbedingungen einzusetzen. Der Flächentarifvertrag biete den Arbeitnehmer:innen viele Vorteile:

Beschäftigte in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten kürzer, machen weniger Mehrarbeit und verdienen mehr als Beschäftigte in Firmen ohne Tarifbindung. „Wir haben einen deutlichen Lohnabstand zwischen ungebundenen und tarifgebunden Betrieben. „Für ,besser statt billiger’ gibt es zum Glück viele positive Beispiele von Unternehmen im Kreis Olpe, die innovativ sind.“

Damit rannte die Olper IG Metall bei Friedrich Merz offene Türen ein:  „Bei einer tiefgreifenden Transformation müssten wir bessere Lösungen aufzeigen als bisher. Wir haben in diesem Land seit Jahrzehnten ein Miteinander der Sozialpartner, um dass uns viele Länder beneiden. Ich wüsste kein zweites Land, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer und ihre Organisationen so partnerschaftlich zusammenarbeiten. Der damit einhergehende soziale Friede ist ein unschätzbarer Wert.“

„Wir haben ein hohes Interesse daran, dass das so bleibt. Bei den großen Herausforderungen müssen wir die Gemeinsamkeiten bewahren. Das sage ich ihnen als Wahlreis-Abgeordneter aus dem Hochsauerlandkreis und als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.“ Merz erinnerte zudem daran, dass er 12 Jahre nicht in der Politik, sondern u.a. in kleinen und größeren Betrieben aktiv gewesen sei - dort  habe er „die positive Wirkung der Mitbestimmung erlebt“.

Noch in einem Punkt gab es Übereinstimmung zwischen den Betriebsräten und dem Gast aus Berlin: Sie eint die Sorge um den Industriestandort. „Meine Vermutung ist: Wir werden erst im Abstand von einigen Jahren, wenn wir zurückblicken, wirklich einschätzen können, was wir heute erleben. Der Krieg in der Ukraine ist nur ein Teil des Bildes, aber ein ganz tiefer Einschnitt.“ Daher seien Begriffe wie Zeitenwende und Epochenbruch richtig. Es gebe eine politische und ökonomische Zäsur.
 

„Wir sind eine Industrieregion im Grünen, aber eben eine Industrieregion.“

„Wir müssen in einer längeren Perspektive alles tun, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrieunternehmen zu erhalten. Ich rede bewusst von Industrie - nicht nur von Groß-, sondern vor allem von kleinen und mittleren Industrieunternehmen“, so Merz. „Unsere Region ist landschaftlich hochattraktiv, aber bei Licht betrachtet ist das eine Industrieregion. Pro 100.000 Einwohner haben wir mehr Industrie-Arbeitsplätze als das Ruhrgebiet. Wir sind in Südwestfalen eine Industrieregion im Grünen, aber eben eine Industrieregion.“ Die produzierende Industrie bilde dabei das Rückgrat der Gesellschaft.

„Nur wenige Länder haben einen ähnlich hohen Wertschöpfungsanteil. Aber der Anteil liegt mittlerweile bei unter 20 Prozent - wir waren mal bei 25 Prozent. Diese kleinen Zahlen sagen ganz viel über wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den Wohlstand unseres Landes aus. Da steht einiges auf dem Prüfstand“, warnte Merz. „Daher möchte ich jenseits aller Detailfragen darüber sprechen, wie wir den Industriestandort stärken können - das geht nur gemeinsam“, reichte er den Gewerkschaften die Hand.


Die CDU will die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen stärken

Die Verantwortung für wesentliche Teile lägen aber nicht beim Staat, sondern in der Hand der Tarifvertragsparteien.  Um diese zu unterstützen, will die CDU die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen stärken: „Wenn in relevanten Branchen der Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit gestellt wird, kann das nur mit Begründung abgelehnt werden.“ Auch die deklaratorische Tariftreueregelung und ein einheitliches Tariftreuesiegel seien Themen.

Dies begrüßte André Arenz: „Ein Tariftreuesiegel finde ich super - im Kreis Olpe ist das bisher an Widerständen gescheitert, weil dann offenbart werden müsste, welche Unternehmen tarifgebunden sind.“ Bei der IG Metall hingegen seien die Mitgliedszahlen gestiegen: „In Olpe sind wir zehn Jahre gewachsen. Dann gab es einige schlechtere Jahre, aber jetzt sind wir richtig kräftig gewachsen. Wir haben ca. 200 Mitglieder mehr als vor einem Jahr.“

Außerdem erteilten die Betriebsräte Merz eine Absage, als dieser für betriebliche Bündnisse für Arbeit und eine Öffnungsklausel für betriebliche Regelungen warb. Die berechtigte Sorge: Bei betrieblichen Öffnungsklauseln geraten die Betriebsräte unter Druck. Die Gefahr ist groß, dass die Beschäftigten erpresst werden, wenn die Vereinbarungen nicht von Arbeitgeberverband und Gewerkschaft verhandelt werden. Sowohl die Bedeutung von Tarifbindung als auch die Wirksamkeit von Flächentarifverträgen sowie deren Strahlkraft auch auf ungebundene Unternehmen machten die Betriebsräte deutlich.